Wüstentrekking - Wandern und reiten auf Dromedaren

Die Wüste – ein Ort der Gegensätze
(von Felicitas)

Meine erste Begegnung mit der Wüste: Ich war zunächst ängstlich, zurückhaltend und spürte große Berührungsangst vor so viel Fremdem gepaart mit einer Ehrfurcht vor dieser unendlichen Weite und Stille in der Wüste.

Doch wie von Geisterhand verwandelte sich schon nach kurzer Zeit alles in ein Gefühl des "nach Hause Kommen". Erstaunt über mich selber stellte ich fest, dass ich Orte entdeckte, die meine tiefsten Sehnsüchte berühren. Orte, von denen ich vorher nichts bewusst wahrgenommen habe.

Zu Hause in Deutschland stelle ich fest, dass dort immer noch diese beruhigende Tiefe und Ruhe lebendig, dieses Gefühl, einen Schatz entdeckt zu haben, weiterlebt.

Warum zieht es mich immer wieder in die Wüste?

In der Folgezeit versuche ich, meinen Empfindungen auf die Spur zu kommen, sie besser zu verstehen, mich besser zu verstehen, warum es mich auch weiter in die Wüste zieht, warum die Wüste mich einerseits nicht in Ruhe lässt und mir andererseits eine unendliche Ruhe schenkt.

Ich erinnere mich noch an die erste Nacht, als ich ergriffen von dem unendlichen Sternenzelt, das mich wie ein schützendes Gewölbe umgab, in den Himmel schaute. Ich bin ein winzigster Punkt in diesem ganzen Geschehen und doch nicht verloren, ich gehöre dazu, ich darf sein. Ewigkeit und lebendige Gegenwart berühren sich, Gegensätze heben einander auf, stellte ich fest.

Ähnliche Gefühle und Erlebnisse stellten sich ein, wenn ich gedankenverloren auf einer der vielen hohen Dünen saß und in die Weite und Stille schaute und lauschte. Die Gegenwart umhüllt mich wie ein bergender Mantel. Es gab dann keine Fragen, kein Hadern, nur ein Ergriffensein von so viel Schönheit, nur ein Eintauchen in den Moment, mich darin verlieren und mich doch nicht verloren fühlen.

Ist das alles? Ist da noch mehr in der Wüste?

Diese Ahnung, dieses unbestimmte, wissende Gefühl, dass dies nicht alles ist, die ungewisse Gewissheit, dass mich die Wüste, wenn ich mich auf sie weiter einlasse, noch in andere Erlebnisbereiche führen wird...

Alles ist ruhig. Es flüstert nur noch der Wind, die Stimmen der Mitreisenden, die Schritte im Sand, das Gurgeln der wiederkäuenden Dromedare. Diese neu entdeckte Wüstenstille empfand und empfinde ich noch heute als eine edle Stille. Wenn ich bedenke, dass meine inneren Stimmen zu Hause oft vom lauten Alltag übertönt und mundtot gemacht werden. Hier offenbart mir diese Stille und unendlichen Weite der Wüste ihre lautstarke Botschaft, freuen sich, endlich Gehör zu finden. Sie erzählen von meinen Ängsten, meinen Sehnsüchten, Konflikten, unerledigten, aufgeschobenen und lästigen Aufgaben…

In der Ruhe und Stille und Abgeschiedenheit der Wüste finden sie endlich den Raum, sich zu melden, sehnen sich nach Beachtung. Ich entscheide, welchen ich meine Aufmerksamkeit schenke. Manche lassen mich trotz Abweisung nicht in Ruhe. Ich entdecke mehr und mehr diesen inneren Resonanzraum.

Ich erfahre, dass Verdrängen nicht hilft, sondern diese Anliegen nur stärker macht. Ich lasse sie durch mich hindurchfließen und gebe sie in die Obhut der Wüste, überlasse sie dem Spiel des Windes, der Wärme der Sonne und der Sanftheit des feinen Sandes und spüre, wie sie vom eigenen Rhythmus der Wüste berührt und verändert werden. Sie erfahren unaufgeregte Beachtung, die sie sein lässt und in eine ruhige Gelassenheit führt, die nichts beschönigt, ihnen aber ihre Schwere und ihr Drama nimmt und ihnen eine Leichtigkeit gibt, die mich staunen lässt.

Es ist für mich nicht immer leicht, das anzunehmen, es für wahr zu halten, aber die Wüste ist ein geduldiger Lehrmeister, der mir mit beharrlicher Ausdauer seine befreiende Botschaft anbietet.

Hier ist alles entschleunigt, nichts anderes drängt sich auf als das Erleben des unmittelbaren Moments.

Eine Gegenwärtigkeit, die nichts festhält, eine Absichtslosigkeit, die nicht wertet, die einfach geschehen lässt, eine Hingabe an das Jetzt. Und ich ahne, dies ist ein Gleichnis für das Erleben des Göttlichen, für das Sich-Öffnen für eine andere Dimension des Seins, die sich in unerwarteten Momenten schenkt, die sich nur annähernd beschreiben lässt und die uns dann überwältigt und staunend zurücklässt. Wir können diese göttliche Energie kaum ertragen, geschweige denn erfassen. Aber wenn wir sie erleben, verändert sie uns wie die Wüste. Und die Wüste ist ein wunderbarer Ort mit dieser Energie, dieser unendlichen Liebe, dieser tiefen Ruhe, die die ganze Schöpfung durchzieht, in Berührung zu kommen, für einen ganz kleinen Moment ein Teil von ihr zu werden und zu spüren: Ja, es ist wahr: Ich bin da.

Ich komme wieder - liebe Mutter Wüste.

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